T. Pfeifer-Helke: Johann Ludwig Aberli

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Titel
Natur und Abbild. Johann Ludwig Aberli (1723 –1786) und die Schweizer Landschaftsvedute.


Autor(en)
Pfeifer-Helke, Tobias
Erschienen
Basel 2011: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
300 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anna Bähler

In der Zeit der Aufklärung bürgerte sich bei den Adligen und den wohlhabenden Bürgerlichen der Brauch der Grand Tour ein, der Bildungsreise durch Europa. Die Schweiz erlebte einen ersten touristischen Ansturm, denn sie galt einerseits aus politischen Gründen als Ort der Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmung, den fortschrittliche Zeitgenossen kennenlernen wollten. Andererseits war sie landschaftlich attraktiv mit ihren Alpen, die in der Literatur der Aufklärung idyllisch überhöht wurden. Bern war im 18. Jahrhundert ein wichtiges europäisches Reiseziel. Von hier aus bestaunten die Touristen die Alpen aus sicherer Distanz. Den unternehmungslustigeren Reisenden diente die Stadt als Ausgangspunkt für die Reise ins Berner Oberland mit seinen Naturwundern.

Schon damals nahmen Reisende gerne Andenken mit nach Hause. Vor allem Bilder waren beliebt, die sich als Wandschmuck und als Erinnerung an besuchte Städte und Landschaften eigneten. Ausgesprochen populär waren die topografisch exakten, farbigen Landschaftsdarstellungen des ursprünglich aus Winterthur stammenden Berner Malers Johann Ludwig Aberli. Grossen Erfolg hatte er mit Radierungen, die er mit Wasserfarben bemalte und für deren Herstellung er seit 1766 ein Privileg des Staates Bern besass. Diese kolorierten Bilder wirkten naturnaher als lediglich schwarz-weisse Radierungen. Weil sie in grossen Stückzahlen produziert wurden, waren sie billiger als Ölgemälde. Auch liessen sie sich leichter transportieren.

Zu dieser Zeit entwickelte sich die Schweiz neben England und Rom zu einem europäischen Zentrum der Vedutenmalerei. Allerdings ist die schweizerische Landschaftsmalerei des Barocks und des Rokoko trotz ihrer Bedeutung nur unzureichend erforscht. Mit seiner Dissertation zu Johann Ludwig Aberli, die nun als Buch vorliegt, schliesst Tobias Pfeifer-Helke eine Lücke. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war «das Malerische» als Betrachtungsweise der Natur sehr populär, die Beobachtung visueller Phänomene wie Licht, Schatten und Farbe in der Landschaft. Der Autor untersucht, inwiefern Aberli mit seinen kolorierten Veduten darauf reagierte und sein Schaffen von diesem Begriff geprägt war.

Die Publikation ist in elf Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel erklärt Tobias Pfeifer-Helke die Voraussetzungen zur Wiederentdeckung Aberlis in den 1920er-Jahren und dessen kunsthistorische Einordnung. Im zweiten Kapitel geht er auf die Biografie des Malers ein sowie auf das künstlerische Umfeld, in dem er tätig war. Bern kannte keinen Zunftzwang für Maler und hier existierte eine Kunstschule. Die Stadt bot Aberli sowohl ein finanzielles Auskommen wie auch eine gute Basis, um ein umfangreiches, international ausgerichtetes künstlerisches Beziehungsnetz zu pflegen.

In den weiteren Kapiteln analysiert Tobias Pfeifer-Helke detailliert verschiedene Aspekte von Aberlis Werk, wie seine Ölgemälde sowie die Bedeutung der Naturnachahmung in seinem Schaffen. Hier beschreibt der Autor auch die zahlreichen Zeichenexkursionen des Malers und die Art und Weise, wie dieser seine Standorte und Motive auswählte. So lehnte Aberli einen Auftrag ab, den Genfersee vom Signal de Bougy aus zu malen, denn er hielt dies wegen der Ausgedehntheit der Aussicht als unausführbar. Er wollte nicht ein bildliches Kompendium der Schweiz erstellen, sondern jene Szenen und Gegenden abbilden, die sich seiner Ansicht nach für ein Landschaftsbild eigneten.

Weiter geht Tobias Pfeifer-Helke auf die Wasserfarbmalerei ein, und zwar auch auf die Arbeiten anderer Maler, die für Aberli von Bedeutung waren. Er weist nach, dass Aberli die topografische Berner Malerei des 17. Jahrhunderts kannte und davon wesentlich beeinflusst war, besonders von den Aquarellen Kauws. Zudem besass Aberli umfangreiche Kenntnisse in der Landschaftsgrafik. Im Lauf der Jahre baute er sich eine eigene Grafik- und Gemäldesammlung auf, die ihm und seinen Schülern zu Studienzwecken diente.

Die Kenntnis der Landschaftsmalerei war eine wichtige Grundlage für den «malerischen» Blick auf die Natur. Aberli schulte die Aufmerksamkeit für natürliche Phänomene jedoch auch durch direkte Naturbetrachtung und er versuchte, das in der Natur Gesehene möglichst exakt in seinen Veduten darzustellen. Seine Bemühungen, «das Malerische», das Spiel von Farben, Licht und Schatten, auf die Druckgrafik zu übertragen, trafen den Geschmack des Publikums. Aberli verkaufte seine «Gravures colorées» mit enormem Erfolg sowohl an seine einheimischen Kunden wie auch an Reisende aus ganz Europa.

Tobias Pfeifer-Helke zeigt im elften und letzten Kapitel die Bedeutung der kolorierten Druckgrafik allgemein und besonders in Aberlis Werk auf und geht detailliert auf die technischen Aspekte der Herstellung ein. Im Anhang befinden sich zwölf wichtige und interessante Textquellen, ein umfangreiches Verzeichnis der Primär- und Sekundärliteratur, ein Personenregister sowie der Abbildungsnachweis. Schade ist, dass die abgedruckten 40 Abbildungen nicht in den Text eingefügt, sondern ans Buchende verbannt sind.

Es ist vorteilhaft, die Lektüre der Publikation mit etwas Vorwissen in Angriff zu nehmen. Weil das Beziehungsnetz des Malers und das Wissen des Autors gross sind, ist es für die Leserin nicht einfach, die zahlreichen erwähnten Personen immer richtig einzuordnen, und lange Beschreibungen von Gemälden und Stichen, die im Buch zum Teil nicht abgebildet sind, erfordern einige Vorkenntnisse und Vorstellungskraft. Ein besseres Lektorat hätte nicht geschadet, das einige sprachliche Holprigkeiten und Flüchtigkeitsfehler eliminiert hätte. Trotzdem ist das Buch als Ganzes gut lesbar. Dank seiner guten Struktur ist es auch möglich, sich lediglich über einzelne Aspekte von Aberlis Schaffen und Werk zu informieren.

Zitierweise:
Anna Bähler: Rezension zu: Pfeifer-Helke, Tobias. 2011: Natur und Abbild. Johann Ludwig Aberli (1723 –1786) und die Schweizer Landschaftsvedute. Basel: Schwabe Verlag 2011. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 4, 2012, S. 68-70.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 74 Nr. 4, 2012, S. 68-70.

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